Anwesenheitspflicht
Stellungnahme des Referats für Hochschulpolitik zu Anwesenheitspflicht
Im Sächsischen Hochschulgesetz ist die Anwesenheit in Lehrveranstaltungen an keiner Stelle festgeschrieben. Laut Aussage des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, darf die regelmäßige Teilnahme an Lehrveranstaltungen keine Voraussetzung für das Zulassen an Prüfungen sein. Dementsprechend darf die Anwesenheit von Studierenden nur auf freiwilliger Basis erhoben werden. Es ist dann außerdem deutlich zu machen, dass dies nur auf freiwilliger Basis geschieht.
Eine verpflichtende Anwesenheit in Lehrveranstaltungen bedarf mindestens einer Verankerung in der Prüfungsordnung. Das eigenständige Einfordern von Anwesenheit durch einzelne Dozierende ist daher nicht möglich. Wenn die Anwesenheit bzw. Abwesenheit der Studierenden jedoch eine Auswirkung auf das Bestehen einer Prüfung haben soll, muss die Anwesenheitspflicht als Prüfungs(vor)leistung begriffen werden. Im Zusammenhang mit den vom Senat verabschiedeten Rahmenrichtlinien für modularisierte Studiengänge und dem hier enthaltenen Prüfungskorridor, würde dies jedoch bedeuten, dass die Anwesenheitspflicht in Modulen, für welche diese eingeführt werden, den Prüfungsleistungen angerechnet werden muss.
Die Frage, ob eine Verankerung von Anwesenheitspflicht aber überhaupt ohne rechtliche Grundlage möglich ist, wird vom Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst selbst verneint. So sagte Frau von Schorlemer 2009 im Sächsischen Landtag:
„Insbesondere darf der Nachweis einer regelmäßigen Teilnahme von Studierenden an solchen Veranstaltungen nicht zur Voraussetzung einer Zulassung zu Hochschulprüfungen gemacht werden. Eine etwaige Verankerung solcher Voraussetzungen in Studien- und Prüfungsordnungen wäre nicht zulässig, weil nach der Wesentlichkeitstheorie grundrechtsrelevante Einschränkungen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen. Solche Ermächtigungsgrundlagen gibt es im Sächsischen Hochschulgesetz (SächsHSG) nicht.“
(Seite 86 des Plenarprotokolls 5/6 der 6.Sitzung vom 10.12.2009)
Auch im 2012 verabschiedeten Sächsischen Hochschul“freiheits“gesetz (SächsHS“F“G) ist keine solche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zu finden.
Selbst das Führen von freiwilligen Anwesenheitslisten kann aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich sein. Das Überprüfen der Anwesenheit muss als Datenerhebung betrachtet werden. Datenerhebungen sind jedoch nach Bundesdatenschutzgesetz (§4) nur auf gesetzlicher Grundlage oder mit der Einwilligung der Betroffenen möglich. Die Betroffenen sind über die Freiwilligkeit und über den Zweck der Datenerhebung zu informieren. Des Weiteren muss laut Bundesdatenschutzgesetz der Grundsatz der Datensparsamkeit und der Datenvermeidung eingehalten werden (§3a). Dies bedeutet, dass beim Führen von freiwilligen Anwesenheitslisten nur die für diesen Zweck aller nötigsten Daten erhoben werden dürfen. Die kombinierte Abfrage von Namen, Matrikelnummer und/oder E-Mailadressen wäre demnach nicht zulässig. Auch das Austeilen oder Aushängen von bereits vorbereiteten Listen, welche diese Daten enthalten und von den Studierenden lediglich unterschrieben werden sollen, ist nicht zulässig, da die persönlichen Daten allen Veranstaltungsteilnehmer_innen zugänglich wären. Sollte jemand diese Liste entwenden (was in der Vergangenheit bereits häufiger passiert ist), hätte diese Person uneingeschränkten Zugriff auf die der Liste entnehmbaren Daten. Es ist daher ein Weg der Datenerhebung zu wählen, der die wenigsten Daten dem kleinstmöglichen Kreis preisgibt. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass die Dozierenden die Liste nach Aufrufen des Namens selber abhaken. Auch in diesem Fall muss jedoch auf die Freiwilligkeit der Angabe hingewiesen werden und es dürfen keine Konsequenzen für die Studierenden aus den Daten dieser Liste entstehen.
Zweifelsfrei gibt es jedoch auch Veranstaltungen, in denen eine Anwesenheit der Studierenden Voraussetzung für das Bestehen der Prüfungsleistung ist. Beispielsweise ist es nur schwer möglich ein Laborpraktikum im Selbststudium zu absolvieren. Das Gleiche gilt für Sicherheitseinweisungen, welche die Voraussetzung sind, um in entsprechenden Räumen oder mit entsprechenden Geräten arbeiten zu dürfen. Für solche Veranstaltungen ist es jedoch nicht nötig eine Anwesenheitspflicht vorzuschreiben, da bereits aus den Gegebenheiten heraus das Bestehen der Prüfungen in diesen Veranstaltungen ohne Anwesenheit nicht möglich ist. Sollte es sich jedoch um ein Pflichtmodul handeln, in dem eine Exkursion stattfindet, muss gewährleistet werden, dass für die Studierenden keine Kosten anfallen. Diese könnten Studierende daran hindern an der Exkursion teilzunehmen und müssen darüber hinaus als verdeckte Studiengebühren verstanden werden. Des Weiteren muss gewährleistet sein, dass, sollte im Krankheitsfall oder in anderen gut begründeten Fällen, eine Teilnahme nicht möglich sein, es dennoch die Möglichkeit gibt, das Modul ohne größere Einschränkungen, wie einer Studienzeitverlängerung, zu bestehen.
Daraus ergibt sich, dass alle Fälle, in denen eine Anwesenheitspflicht zulässig wäre, bereits aus ihrer „Natur“ heraus die Anwesenheit nötig machen. Sobald es für Studierende möglich ist, eine Prüfung zu bestehen, ohne in der zugehörigen Veranstaltung anwesend gewesen zu sein, ist die Verpflichtung zur Anwesenheit unzulässig. Dies ist in der Regel in Vorlesungen, Seminaren und Übungen der Fall, da die vermittelten Inhalte auch im Selbststudium verinnerlicht werden können. Möchte ein_e Dozent_in freiwillige Anwesenheitslisten zum Zweck der Evaluation führen, ist dies auch in anonymisierter Form möglich.